In der Berichterstattung zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 04.09.2016 war die Wählerwanderung ein großes Thema. In diesem Blogbeitrag wollen wir aufzeigen, dass die Darstellung der Entwicklung von Wahlergebnissen in einem Sankey-Diagramm geeigneter ist als die üblicherweise verwendeten Methoden.
Folgende Diagramme von Infratest dimap sind mir insbesondere aufgefallen:
Es sind nur die beiden ersten von insgesamt 7 Diagrammen wiedergegeben.
Ist die Darstellung gut?
Nein und zwar auf ganzer Linie. Um die 7 Diagramme komplett auf einer Bildschirmseite sehen zu können, musste ich meinen Browser 5 mal kleiner zoomen. Anschließend war nichts mehr lesbar.
Was ist das eigentlich für eine Diagrammform? Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Balkendiagramm – ist es aber nicht. Die Balken auf der linken Seite sind immer gleich groß. Sie erzeugen also keinen visuellen Eindruck vom Gewicht der Partei. Daneben zeigen Pfeile in welche Richtung die Wählerwanderung geht. Auch das ist schlecht gemacht. Bei der SPD zeigt ein Pfeil zur CDU mit der Zahl -1.000. Ergibt hier Minus mal Minus Plus oder ist es eine wiederholte Information? Die farbigen Flächen rechts neben den Pfeilen sollen helfen, die Parteien besser zu erkennen. Allerdings ist die Flächengröße unabhängig von den Werten.
Weiter werden die Wählerwanderungen in den Diagrammen bei beiden betroffenen Parteien angezeigt (siehe bspw. jeweils die erste Zeile SPD → CDU -1.000 und CDU ← SPD 1.000).
Letztlich werden Zahlen und Dimensionen (= Parteien) in mehr oder weniger tabellarischer Form dargestellt. Diesen Informationsgehalt hätte man verständlicher und platzsparender mit einer durchdacht aufgebauten Tabelle transportieren können.
Wie kann man es besser machen?
Sind die Bewegungen zwischen den Parteien eigentlich das einzige was interessant ist? Mich interessieren bei der Wählerwanderung auch die absolut erhaltenen Stimmen der Parteien. Erst in dem Kontext wird klar, ob eine Wanderung bedeutsam war oder nicht. Ein Sankey-Diagramm vereint beide Aufgaben und erscheint mir als die geeignete Visualisierung.
Der Erfinder und Namensgeber war Captain Sankey. Er verwendete diese Diagrammform 1898 zur Darstellung von Energieflüssen bei Dampfmaschinen.
Das nachstehende Beispiel hat Mike Bostock mit D3 erstellt. Es zeigt ein Szenario der britischen Energieproduktion für das Jahr 2050:
Die Höhe der farbigen Knoten ist proportional zu den Energiemengen. Bei den Verbindungen gilt dies analog. Eine Besonderheit ist, dass quasi gemäß dem Energieerhaltungssatz keine Werte „verloren gehen“. Im Beispiel werden die Energieverluste rechts oben als ‚Losses‘ ausgewiesen.
Umsetzung des Sankey-Diagramm mit dem KIMdata-chefreporter
Wir haben einen deutlich einfacheren Anwendungsfall als zuvor da wir nur die 2 Wahlen von 2011 und 2016 vergleichen:
Die Parteien werden für beide Jahre sozusagen als gestapelte Säulendiagramme abgebildet. Die Segmente sind nach ihrer Größe absteigend sortiert. Dabei haben wir sonstige Parteien, Nichtwähler und die nicht mehr Wahlberechtigten eingereiht. So wird deutlich, dass in beiden Jahren die Nichtwähler die größte Gruppe war. Weiter sieht man auf einem Blick, dass die SPD jeweils die stärkste Partei war und in 2016 die CDU von der AfD auf Platz 3 verdrängt wurde.
Anhand der Dicke der Verbindungslinien kann man sehr gut die Wählerwanderungen ablesen. Die Veränderung der erhaltenen Wählerstimmen je Partei wird beim Vergleich der Knoten deutlich. Man kann gut erkennen, dass die AfD-Wähler aus allen Blöcken kommen, am meisten aus den Nichtwählern.
Im KIMdata-chefreporter ist das Sankey-Diagramm interaktiv. So können die den Verbindungslinien zugrunde liegenden Werte als Tooltipps angezeigt werden. Ein Klick auf einen Parteienknoten hebt zudem die Bewegungen von bzw. zu dieser Partei hervor, wie mit der Animation illustriert.
Anmerkungen zur Datenbasis
- Wie werden die Wanderungen ermittelt?
Die absoluten (Zweit-)Stimmen je Partei sind online verfügbar. Ebenso die Wahlberechtigten und Nichtwähler. Die Wählerwanderungen müssen allerdings geschätzt werden. Sie basieren auf Telefonumfragen von Infratest dimap. Deshalb sind die Zahlen entsprechend unsicher. Bspw. ergeben die Wanderungen zur AfD 133.000 Stimmen. Die Partei hat jedoch mehr Stimmen erhalten und war 2011 noch nicht angetreten. Damit die Darstellung im Sankey-Diagramm stimmig ist wurden die Zahlen per Dreisatz korrigiert. - Was hat es mit „nicht mehr wahlberechtigt“ auf sich?
Wie oben erläutert, müssen die absoluten Summen 2011 und 2016 identisch sein. Da die Anzahl der Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern zurückgegangen ist, habe ich den Saldo in 2016 ausgewiesen. In diesen Saldo ist zusätzlich die Veränderung bei den ungültigen Stimmen eingearbeitet.